Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was unsere Sprache alles über uns verrät? Ich meine damit nicht unsere Muttersprache oder unseren Dialekt, sondern die Art, wie wir sprechen. Die Worte, die wir dabei verwenden, die Länge und die Komplexität unserer Sätze und die sprachliche Korrektheit.
Sprachliche Dimensionen
Unsere Wortwahl beispielsweise spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie andere uns wahrnehmen. Verwenden wir eher negativ behaftete Wörter („Drahtzieher“, „Hintermänner“) oder bleiben wir neutral („Verantwortliche“)? Verwenden wir bestärkende Ausdrücke („auf jeden Fall“, „unbedingt“) oder eher abschwächende Ausdrücke („gegebenenfalls“, „vielleicht“)?
Auch unsere Art, Sätze zu bilden, und die Komplexität unserer Sätze haben eine gewisse Wirkung auf andere. Besonders lange, verschachtelte Sätze können den Eindruck erwecken, wir hätten uns viele Gedanken zu einem Thema gemacht. Sie können aber auch ein Indiz dafür sein, dass wir nicht dazu in der Lage sind, uns klar und verständlich auszudrücken. Kurze und einfache Sätze wirken dagegen durchdacht und entschlossen.
Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die sprachliche Korrektheit dar. Wenn ich einen Artikel lese, der voller Rechtschreib- und Grammatikfehler steckt, so lässt mich das direkt an der Glaubwürdigkeit des Artikels, des Verfassers und der publizierenden Nachrichtenseite zweifeln. Sprachliche Fehler erwecken nämlich den Anschein, dass der Verfasser sich nicht wirklich Mühe beim Schreiben des Texts gegeben hat. Wenn er sich nicht genügend Zeit genommen hat, den Artikel auf sprachliche Korrektheit zu prüfen, wie wenig Zeit hat er sich dann wohl für die Recherche genommen?
Politische Sprache
Wir wissen also, dass unsere Sprache einiges über uns verrät. Aber wie kann man derartige Eigenschaften von Sprache überhaupt messen? Als Praktikantin bei Congree, einem Software-Hersteller im Bereich der Content-Optimierung, habe ich mich genau mit dieser Frage beschäftigt. Mithilfe des Autorenunterstützungstools Congree Authoring Server habe ich die Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2017 analysiert. Durch die linguistische Analyse der Wahlprogramme sind wir zu einigen interessanten Erkenntnissen gekommen.
Bemerkenswert ist beispielsweise, dass die rechtspopulistische Partei AfD sprachlich nicht zu unterschätzen ist: Das Wahlprogramm hat kaum Rechtschreib- oder Grammatikfehler, besteht aus kurzen, einfachen Sätzen und kommt gänzlich ohne Konjunktive, Weichmacher oder Ausnahmeformulierungen aus. Wurden diese sprachlichen Entscheidungen womöglich bewusst getroffen, um beim potenziellen Wähler den Eindruck zu erwecken, eine besonders entschlossene Partei zu sein?
Wie bereits erwähnt, ist auch die Verbindlichkeit ein sehr interessantes Thema. Es gibt einige Ausdrücke und Formulierungen, die einen Text weniger verbindlich wirken lassen. Diese tauchen in nahezu allen Wahlprogrammen auf. Kann man anhand dieser sprachlichen Merkmale ableiten, wie verbindlich und konsequent die jeweiligen Zukunftspläne der Parteien umgesetzt werden?
Ebenfalls interessant ist, dass alle Parteien die konservative Schreibweise verwenden – selbst diejenigen, die eigentlich kein konservatives Erscheinungsbild anstreben. Wenn man progressive Ideen vermitteln möchte, wäre es dann nicht sinnvoller, auch die progressive Schreibweise zu verwenden?
Fazit
Alles in allem waren wir sehr überrascht darüber, wie viel Sprache über uns verraten kann.
Auch im Bereich der politischen Sprache eignet sich ein Autorenunterstützungswerkzeug, um die verschiedensten sprachlichen Merkmale, von der sprachlichen Korrektheit über die Verständlichkeit bis hin zur Verbindlichkeit, zu messen.
Weitere Informationen über unsere Analyse der Wahlprogramme und ihre Ergebnisse finden Sie in unserem Whitepaper zum Thema „Warum selbst die Linken ein konservatives Wahlprogramm haben …“.