Die englische Sprache gilt als Weltsprache, als s. g. Lingua franca. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung spielt das Englische eine immer größer werdende Rolle in vielen Unternehmen. Auch bei der Technischen Dokumentation setzen immer mehr Firmen auf Englisch als Quellsprache. Aber wie wird so eine Umstellung von der Quellsprache Deutsch auf die Quellsprache Englisch umgesetzt?
Häufig werden die eigenen Technischen Redakteure darum gebeten, auf Englisch zu schreiben. Hierzu sind Umschulungen notwendig. Funktioniert das nicht, versucht man, sich fachlich kompetente Unterstützung ins Haus zu holen. Technische Redakteure mit Englisch-Kenntnissen auf Muttersprachler-Niveau sind auf dem Arbeitsmarkt jedoch schwer zu finden. Wenn alle Stricke reißen, engagiert man externe Dienstleister. Besonders beliebt sind indische Dokumentationsdienstleister. Denn diese verkaufen ihre Dienstleistungen meist günstig und sprechen Englisch auf Muttersprachler-Niveau. Oder?
Warum sprechen Inder Englisch?
Das Englische fungiert nicht nur als gemeinsame Sprache auf internationaler Ebene, sondern in manchen Ländern, wie z. B. in Indien, auch auf nationaler Ebene. Es gibt in Indien über 100 Sprachen, die als Muttersprachen fungieren. Dazu gehören u. a. Bengalisch, Sanskrit, Tamil, Telugu und Urdu, um nur einige zu nennen. Aufgrund dieser Vielfalt an Muttersprachen war es notwendig, zwei gemeinsame Amts- und Unterrichtssprachen einzuführen: Hindi und Englisch.
Das bedeutet einerseits, dass man in Indien wesentlich früher und häufiger mit dem Englischen in Berührung kommt, als es z. B. in Deutschland der Fall ist. Auf der anderen Seite stellt das Englische, obwohl es bereits früh erlernt wird, in der Regel nicht die Muttersprache der indischen Staatsbürger dar. Daraus ergibt sich eine sehr gute, jedoch nicht muttersprachliche Kenntnis der englischen Sprache.
Indisches Englisch = Standard-Englisch?
Dass man eine Sprache, die nicht die eigene Muttersprache ist, zumeist nicht ganz fehlerfrei beherrscht, ist nichts Neues. Es ist nicht nur der Akzent im Englischen, der einen gelegentlich als Deutschen, Franzosen, Italiener – oder eben Inder – auffliegen lässt. Es sind auch Satzbau, Wortwahl und bestimmte Grammatikfehler, die typisch für bestimmte Herkunftsländer sind. Somit ist auch das „indische Englisch“ nicht ganz frei von Abweichungen zum Standard-Englisch.
Zweifelhafte Verwendung von „doubt“
In Texten indischer Autoren ist häufig das Wort „doubt“ an Stellen zu finden, an denen man eher das Wort „question“ als passend empfinden würde, z. B.:
Zweifelhaft: If there is any doubt, please do not hesitate to contact me.
Besser: If there are any questions, please do not hesitate to contact me.
Das ist zwar grammatisch gesehen nicht falsch, kann aber durchaus Missverständnisse hervorrufen. Das Wort “doubt” kann sowohl “Argwohn” als auch “Unsicherheit” ausdrücken. In den meisten englischsprachigen Ländern wird das Wort eher verwendet, um Argwohn auszudrücken. Im indischen Englisch hingegen wird damit eher Unsicherheit ausgedrückt. Daher ergibt sich bei indischen Autoren eine synonyme Verwendung von “doubt” und “question”, die v. a. bei anderstämmigen Nichtmuttersprachlern des Englischen zu Verwirrungen führen kann.
Übermäßiger Einsatz von Kommas
Eine weitere Eigenheit indischer Autoren ist, dass Kommas an Stellen gesetzt werden, an denen normalerweise kein Komma gesetzt wird, z. B.:
Falsch: Switch on the device, by pressing the green button.
Korrekt: Switch on the device by pressing the green button.
Überflüssige Kommas können, wie in diesem Fall, die Lesbarkeit des Satzes negativ beeinträchtigen. Außerdem gibt es Fälle, in denen fehlende oder überflüssige Kommas sogar die Bedeutung des Satzes beeinflussen können. Daher muss stets auf eine korrekte Kommasetzung geachtet werden.
Eine häufige Ursache für derartige Fehler im Englischen kann die eigene Muttersprache sein. Häufig neigt man dazu, Regeln, die man aus der Muttersprache kennt, in die Fremdsprache zu übertragen. Möglicherweise ist es in einigen Sprachen, die in Indien Muttersprachen sind, üblich, Satzzeichen an anderen Stellen zu setzen, als es im Englischen der Fall ist.
Sparsamer Einsatz von Artikeln
Zu beobachten ist außerdem, dass in Texten indischer Autoren verhältnismäßig wenige Artikel auftauchen. Dies ist zwar nicht grammatisch falsch, kann Sätze aber mehrdeutig machen. Aufgrund der Nomen-Verb-Ambiguität im Englischen sind Artikel wichtig, um zu unterscheiden, ob es sich beim jeweiligen Wort um ein Nomen oder ein Verb handelt.
Beispiel: Return switch to center position.
Sowohl die Wörter “switch” und “center” als auch das Wort “position” können jeweils als Nomen oder als Verb gebraucht werden. Durch die fehlenden Artikel wird nicht ganz klar, was der Satz bedeutet. Es gibt zwei Möglichkeiten.
Entweder: Return the switch to the center position. (Stellen Sie den Schalter wieder in die Mittelstellung.)
Oder: Return the switch to center the position. (Stellen Sie den Schalter zurück, um die Position zu zentrieren.)
Nur durch den Einsatz von Artikeln wird klar, bei welchem Wort es sich um das Verb und bei welchen Wörtern es sich um Nomen handelt. Wenn man Mehrdeutigkeiten vermeiden möchte, muss man also stets auf den Einsatz von Artikeln achten.
Fazit
Das Englisch indischer Autoren weist ein paar sprachliche Eigenheiten auf, die beim Leser Missverständnisse hervorrufen können. Das liegt daran, dass sich in Indien durch die besondere politische Sprachsituation eine ganz eigene Varietät des Englischen entwickelt hat.
Trotz der genannten Eigenheiten des indischen Englisch wollen wir Ihnen keinesfalls davon abraten, indische Dokumentationsdienstleister für Ihre Projekte zu engagieren. Jeder Autor macht einmal Fehler. Insofern muss man sich so oder so um eine anständige Qualitätsprüfung seiner Texte bemühen.
Eine Alternative zum weit verbreiteten Humanlektorat ist die maschinelle Sprachprüfung. Hier ist die ganze Bandbreite möglich: Von Rechtschreibung über Grammatik bis hin zu Stil wird alles geprüft. Somit lassen sich durch ein maschinelles Lektorat sprachliche Eigenheiten und Fehler ausbügeln.
tl;dr
Das Englisch indischer Autoren weist ein paar sprachliche Eigenheiten auf, die beim Leser Missverständnisse hervorrufen können. Das liegt daran, dass sich in Indien durch die besondere politische Sprachsituation eine ganz eigene Varietät des Englischen entwickelt hat. Trotz der genannten Eigenheiten des indischen Englisch wollen wir Ihnen keinesfalls davon abraten, indische Dokumentationsdienstleister für Ihre Projekte zu engagieren. Jeder Autor macht einmal Fehler. Insofern muss man sich so oder so um eine anständige Qualitätsprüfung seiner Texte bemühen.